Meine Augen haben deinen Heiland gesehen, das Heil, das du bereitet hast vor allen Vökern. Ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preise deines Volkes Israel. Evangelium nach Lukas 2,30-33
Nach levitischer Vorschrift besuchte jede jüdische Mutter 40 Tage nach der Geburt eines Knaben oder 80 Tage nach der Geburt eines Mädchens zum ersten mal wieder den Tempel und brachte ein Schaf oder eine Taube als Dankopfer dar.
Der erstgeborene Sohn einer Frau wurde zudem – in Erinnerung an die Passah-Nacht – als Eigentum Gottes betrachtet und darum in den Tempel gebracht bzw. durch ein Opfer vom Tempeldienst abgelöst. Auch Joseph und Maria gehen – wie es damals Brauch war – mit ihrem erstgeborenen Kind in den Tempel um das Dankopfer darzubringen. Dort haben sie jedoch eine merkwürdige Begegnung: Ein alter Mann namens Simeon scheint geradezu auf die kleine Familie zu warten. Bei Lukas heißt es: „er wartete auf den Trost Israels.“
Er wusste, dass eines Tages der Erlöser kommen würde, denn so hatten es die Propheten seines Volkes schon lange angekündigt – und so hatte er es in den heiligen Schriften seines Volkes selber nachlesen können. Ihm „war ein Wort zuteil geworden durch den Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Gesalbten des HERRN gesehen.“
Gewiss kannte Simeon die Verheißung des Propheten Jesaja (11,1f): „Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn„.
Als Joseph und Maria mit ihrem Kind in den Tempel kamen, war dem Simeon klar geworden: „Dieses Wort ist in Erfüllung gegangen. Der Messias ist geboren. Ich selbst werde ihn sehen.“ Und dann schließt er das Kind in seine Arme, lobt Gott und spricht: „Nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen…“ Dieser von Gott erwartete und nun in die Welt gekommene Heiland ist nicht nur beauftragt, seinem eigenen Land das Heil Gottes zu bringen sondern allen Völkern. Er ist gekommen um auch die Heiden mit dem Licht Gottes zu erleuchten.
Mit diesen kurzen Worten fasst Simeon unsere ganze christliche Heilsgeschichte zusammen: Das Heil Gottes, das zuerst nur bestimmt war für die leiblichen Nachkommen der Erzväter Israels, wird nun durch den von Gott beauftragten Messias zu den übrigen Völkern gebracht. Diese dürfen jetzt auch Kinder Gottes werden, weil sie durch den Reis aus dem Stamm Isais dazu eingeladen sind. Das alles geschieht zum Lob Gottes und zum Preise seines Volkes Israel.
Letzteres muss die Christenheit wohl aber erst noch lernen.
Sieghard Löser