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Geistliches Wort

Gedanken zum Monatsspruch November 2023

Gott allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meers.  Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens. Hiob 9,8-9

Immanuel Kant – einer der bedeutendsten Vertretern der abendländischen Philosophie – schreibt im Beschluss seiner „Kritik der praktischen Vernunft“:  „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmenden Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir... ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewusstsein meiner Existenz…   Der erstere Anblick einer zahllosen Weltenmenge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines tierischen Geschöpfs, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten (einem bloßen Punkt im Weltall) wieder zurückgeben muss, nachdem es eine kurze Zeit (man weiß nicht wie) mit Lebenskraft versehen gewesen. Der zweite erhebt dagegen meinen Wert, als einer Intelligenz, unendlich, durch meine Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben offenbart, wenigstens so viel sich aus der zweckmäßigen Bestimmung meines Daseins durch dieses Gesetz, welche nicht auf Bedingungen und Grenzen dieses Lebens eingeschränkt ist, sondern ins Unendliche geht, abnehmen lässt…“

Von Immanuel Kant wissen wir, dass er ein fleißiger Leser der Bibel war. Unzweifelhaft kannte er das Buch Hiob, aus dem unser Monatsspruch entnommen ist. Aber anders als sein Zeitgenosse Johann Wolfgang Goethe macht er daraus kein Theaterstück, sondern die Grundlage einer praktischen Lebensführung. Nicht der faustische Mensch der um seiner selbst willen sogar einen Pakt mit dem Teufel eingeht, steht bei ihm im Fokus, sondern die Suche nach einer friedlichen Form des Zusammenlebens von Menschen und Völkern. Sein Kategorischer Imperativ lautet: „Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Gesetz werden sollte.“

Bei Hiob klingt das freilich noch nicht so kompliziert. Seine Gotteserkenntnis klingt eher wie ein großer Lobpreis (9,4-10): Gott ist weise und mächtig; wer stellte sich ihm entgegen und blieb unversehrt? Er versetzt Berge, ehe sie es innewerden; er stürzt sie um in seinem Zorn. Er bewegt die Erde von ihrem Ort, dass ihre Pfeiler zittern. Er spricht zur Sonne, so geht sie nicht auf, und versiegelt die Sterne. Er allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meers. Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens. Er tut große Dinge, die nicht zu erforschen, und Wunder, die nicht zu zählen sind.

Sieghard Löser