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Gedanken zum Monatsspruch Mai 2023

Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag. Sprüche 3,27

Das biblische Buch der Sprüche ist eine „Sammlung von Sammlungen“ von zumeist ethischen Weisheiten und Empfehlungen. Über einen Zeitraum von mehr als 500 Jahren bis in die hellenistische Zeit wurden an die auf den weisen König Salomo zurückgehende Spruchsammlung weitere Sammlungen angefügt (z.B. die „Sprüche Agurs“, „Sprüche der Männer des Königs Hiskija“ oder die „Worte des Lemuel“)

Nur wenige Bücher der Bibel geben ausdrücklich an, wozu sie geschrieben sind. Das Buch der Sprüche gehört dazu. Seine ersten sieben Verse bilden eine Art Vorwort, das Sinn und Zweck vorstellt. Der siebente Vers spricht dabei programmatische vom Zusammenhang von Weisheit und Gottesbeziehung.

In der christlichen – vor allem der lutherischen – Theologie fast völlig ausgeblendet ist eine in der gesamten Weisheitsliteratur der Bibel (Sprüche, Prediger, Hoheslied, Sirach u.a.) präsente Vorstellung von der „Weisheit als eingeborener Tochter Gottes“ (siehe die Frau im Arm des Schöpfers bei dessen „Erschaffung Adams“ im Bild Michelangelos auf der Vorderseite).

Wie kaum ein anderes Buch der Bibel fordert das Buch der Sprüche die eigenen Aktivität der Lesenden; sie sollen sich mit den verschiedenen dargelegten Situationen und menschlichen Verhaltensweisen auseinandersetzen und nach der Weisheit in der eigenen Situation fragen. Die Sprüche in ihrer Gesamtheit wollen nicht zu bloß regelkonformen Verhaltensweisen oder gar zu stereotypischen Wahrnehmungen der Menschen als Gute und Böse, Dumme und Kluge anleiten, sondern zu kritischem und selbstkritischem Wahrnehmen der Welt und der eigenen Person führen. und damit ethisch verantwortbares Handeln ermöglichen.

Eine Fülle von Ausdrücken umschreibt, was Weisheit und Erziehung sind und sein können. Dabei geht es nicht um die Definition klar voneinander abgegrenzter Inhalte und Kompetenzen, sondern um miteinander verschränkte Dimensionen. Weisheit erwirbt man nicht allein durch trainierendes Einüben von intellektuellen Fähigkeiten oder dem Aneignen von Wissen, vielmehr geht es um Redlichkeit und dem Sinn von Recht und Gerechtigkeit. Weisheitsvermittlung besteht nicht in der Anhäufung von Fakten- und Regelwissen, sondern umfasst die Einübung und Ausbildung von Verhaltensweisen im Sinne Gottes – bei uns oft als „Herzensbildung“ bezeichnet. Die grundlegendste dieser Haltungen nennt das Vorwort an seinem End- und Höhepunkt (1,7): „Die Furcht des HERRN ist Anfang aller Weisheit“.

Sieghard Löser

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Gedanken zum Monatsspruch April 2023

Christus ist gestorben und wieder lebendig geworden um Herr zu sein über Tote und Lebende. Römer 14,9

Paulus schreibt einen Brief an die junge christliche Gemeinde in Rom. Wie das Evangelium schon kurz nach Jesu Tod und Auferstehung in die Hauptstadt des damaligen Weltreiches gekommen war, wissen wir nicht. Aus der Apostelgeschichte des Lukas erfahren wir, dass die Jünger Jesu kurz nach Ostern in Jerusalem die Auferstehung Jesu vor einer großen Volksmenge bezeugten und dadurch viele Menschen zum Glauben kamen. Darunter befanden sich viele Juden aus der ganzen Welt, die sich zu diesem Zeitpunkt auf Wallfahrt in Jerusalem aufhielten (sie waren zum jüdischen Wochenfest – unserem heutigen Pfingstfest – 50 Tage nach Pessach in die Stadt Davids gekommen um im Tempel den Gott Israels anzubeten). Es ist möglich, dass durch diese Leute die Kunde von Jesus bis in die Hauptstadt des Imperiums kam.
Auch hatten dann die Jünger Jesu den Auftrag ihres Herrn in die Tat umgestzt, als er bei seinem Abschied zu ihnen gesagt hatte (Markus 16,15): Gehet hin in alle Welt und verkündet das Evangelium aller Kreatur. Aus der Apostelgeschichte erfahren wir nur von Petrus und Philippus über ihre konkreten Erlebnisse bei der Verbreitung des Evangeliums – und natürlich über Paulus, der allerdings nicht aus dem Zwölferkreis um Jesus stammte, sondern anfangs sogar die neu entstandene christliche Gemeinde in Jerusalem und Damaskus verfolgt hatte und erst später zu einem Anhäger Jesu geworden war. Erst aus der nachbilischen Überlieferung aber erfahren wir z.B. von Jakobus, der bis nach Spanien kam. Oder von Thomas, der das Evangelium bis nach Indien brachte.

Wie auch immer das Evangelium nach Rom gekommen war, es war schon vor Paulus dort verbreitet worden. Was die römischen Christen zu diesem Zeitpunkt von oder über Jesus wussten, hatten sie aus zweiter Hand erfahren – also aus den Erzählungen über die Erzählungen derer, die Jesus noch persönlich gekannt hatten. Sensationelles wird darunter gewesen sein: etwa wie Jesus Wunder getan hatte, oder seine Auferstehung am dritten Tag nach seinem Tod. Vielleicht aber auch die eine oder andere Wortüberlieferung – etwa einige Erinnerungen an seine Predigten oder das eine oder andere Gleichnis.

Paulus nun geht einen Schritt weiter: in einem großartig angelegten Aufsatz (eben unserem Römerbrief) ordnet er das Christusereignis ein in die Heilsgeschichte Gottes mit seinem zuerst berufenen Volk Israel und schließlich mit der ganzen Welt. Für Paulus ist Jesus nicht zuerst der Wundermann, Heiler, Prediger und Gleich-niserzähler, sondern der von Gott Beauftragte und durch seine Auferstehung von Gott in dieser Funktion bestätigte, der der Welt das Heil gebracht hat.

Sieghard Löser