Mache dich auf und werde Licht, denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Jesaja 60,1
„Ein Buch wie eine Kathedrale“ so nennt der Theologe Ulrich Berges das Buch des Propheten Jesaja im Ersten Testament. So wie der Bau einer Kathedrale viele Jahrzehnte in Anspruch nimmt und in viele Bauabschnitte gegliedert ist, so auch das erste der großen biblischen Prophetenbücher der Bibel. So stammt der erste Teil dieses Buches (Kapitel 1 bis 39) von einem Priester namens Jesaja ben Amoz (1,1). Es entstand im Königreich Juda zur Zeit der Könige Usia, Jotham, Ahas und Hiskia (736 bis 697 vChr). Geschildert wird darin u.a. die Berufung des Propheten (Kap. 6) und die beiden großartigen Verheißungen vom kommenden Friedensfürsten (Kap. 9) und vom Messias und seinem Friedensreich (Kap. 11).
Der zweite Teil des Buches (Kapitel 40 bis 55) entstand viele Jahrzehnte später nach der Katastrophe des Unterganges des Staates Juda und der Wegführung seiner Eliten in die Babylonische Gefangenschaft. Es beginnt mit einem Aufruf an die Völkerwelt (40,1): „Tröstet, tröstet mein Volk“, spricht euer Gott. „Redet mit Jerusalem freundlich und verkündet ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende haben wird.“
Der dritte Teil entstand nach dem Ende der Gefangenschaft und der Rückkehr einiger Nachkommen der einst Entführten in die alte Heimat der Vorfahren. Möglich geworden war dies durch ein Edikt des Perserkönigs Kyros, welcher seinerseits die Babylonier besiegt und deren Gewaltherrschaft ein gewaltsames Ende bereitet hatte. Für die Israeliten entstand daraus die wichtige Erkenntnis, dass sich ihr (und unser) Gott manchmal auch solcher Menschen (und politischer Herrscher) bedienen und in seinen Heilsplan für sein Volk einspannen kann, welche vordergründig gar nichts mit IHM und den Glauben an IHN zu tun zu haben scheinen.
Kyros wird sogar als ein „Gesalbter des HERRN“ bezeichnet (45,1) – so wie später Jesus aus Nazareth („Gesalbter“ = Christus [grch.] = Messias [hebr.]).
Da durch die kluge und wohlwollende Politik des Kyros die im Krieg durch die Babylonier zerstörte Stadt Jerusalem und der heilige Tempel wieder aufgebaut werden konnte, erhält nun auch das Volk Israel wieder die Möglichkeit zur Ausrichtung seines von Gott gegebenen Auftrags (Kapiel 60 bis 66): Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Völker werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. Deine Söhne und deine Töchter werden von ferne kommen. Dann wirst du es sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden.
Sieghard Löser